"Da steckt viel Herzblut drin"

Peter Erdmann – Spezialist für Qualitätssicherung

Wenn es um Qualität am Bau geht, kommt um Peter Erdmann niemand herum. Seit fast 15 Jahren ist er bei Werkstadt Fischer Architekten spezialisiert auf das Thema Qualitätssicherung. Mit großer Praxiserfahrung und einer Zusatzausbildung als Sachverständiger für Schäden an Gebäuden berät er das Team. Gerade geht in Speyer das Projekt „Am Fluss“ in die finale Phase, das Peter begleitet. Hier erklärt er die besondere Herausforderung – und warum es für jedes Problem eine Lösung gibt.  

Peter, wir treffen Dich hier auf der Baustelle des Projekts "Am Fluss" in Speyer. Gerade wurde der letzte Kran abgebaut und das Projekt geht in die finale Phase. Wie fühlt sich das an?

Ich habe fast acht Jahre lang den gesamten Bauprozess leitend begleitet und das ist natürlich mit Emotionen verbunden. In diesem Projekt steckt sehr viel Herzblut drin und in der Zusammenarbeit ist ein außergewöhnlich schönes Stadtquartier entstanden. 

Was ist das Besondere am Projekt "Am Fluss"?

Direkt am Rheinufer und in Sichtweite zum Kaiserdom und zur Altstadt sind auf dem ehemaligen Industriegelände „Alte Ziegelei“ fünf hochwertige Wohnquartiere entstanden, die architektonisch neue Akzente setzen. Mir gefällt, wie gut sich das Quartier in den urbanen Kontext einfügt – und alles ist sehr durchdacht mit barrierefreien Wohnungen, vielen Freiräumen und Tiefgaragen. Es gibt eine sehr hohe Aufenthaltsqualität, die weiter wächst, wenn später noch die Parkanlage am Rheinufer fertiggestellt ist. Eine 1A Lage – und dann gibt es durch die zahlreichen Klinkerfassaden auch einen gelungenen Bezug zu der historischen Ziegelei, die hier einst auf dem Gelände stand.

Warum arbeitest Du gerne mit dem Bauträger Deutsche Wohnwerte?

Wenn es um Entscheidungen bei Gestaltungsfragen geht, ist da nicht der erste Impuls: Wie können wir Qualität rausnehmen, um zu sparen, sondern: Wie können wir Projekte von möglichst hoher Qualität realisieren, die zur Zufriedenheit aller nachhaltig funktionieren? Oder um es mit einem Bild zu sagen: Wenn wir mit Deutsche Wohnwerte arbeiten, ist es immer die Herausforderung, über eine Latte zu springen, die sehr hoch gehängt ist.

Mich reizt die Herausforderung, sehr komplex geplante Architektur in der Praxis optimal auszuführen und dafür technische Detaillösungen zu entwickeln.

Peter Erdmann

Was genau ist Deine Aufgabe als Spezialist für Qualitätssicherung?

Meine Aufgabe ist es, dafür zu sorgen, dass Gebäude in allen Belangen deutlich länger als nur den Zeitraum von fünf Jahren halten – also weit über die Gewährleistungsphase hinweg. Und genau das ist auch der Spaßfaktor für mich: Mich reizt die Herausforderung, sehr komplex geplante Architektur in der Praxis optimal auszuführen und dafür technische Detaillösungen zu entwickeln. Es ist dann einfach schön zu sehen und ein tolles Gefühl, wenn Deine eigenen Ideen konkret gebaut werden und dann auch noch sehr lange halten.

Du hast eine Zusatzausbildung zum Sachverständigen für Schäden an Gebäuden absolviert. Wie kam es dazu?

Das war eine zweieinhalbjährige berufsbegleitende Ausbildung bei der Architektenkammer Baden-Württemberg. Da ich bei Werkstadt Fischer Architekten das Thema Qualitätssicherung betreue und wir das in Zukunft intensivieren wollen, hat das Büro die Kosten übernommen. Die Ausbildung war sehr lehrreich, denn sie umfasst breitgefächert und fundiert technische bauphysikalische und technische Themen, aber auch die rechtlichen Aspekte.  

Wie setzt Du dieses Know-How in der täglichen Arbeit bei Werkstadt Fischer Architekten ein?

Auf dem Papier funktionieren Planungsideen ganz leicht, aber in der Praxis sieht es oft anders aus. Wenn es darum geht, anspruchsvolle architektonische Lösungen in die Tat umzusetzen, komme ich mit meiner Erfahrung ins Spiel. Bei Werkstadt Fischer Architekten haben wir den Anspruch, Gebäude zu entwickeln, die nicht nur gut aussehen, sondern sich auch ideal in den städtebaulichen Kontext einfügen. Das Ziel ist, dass nach Baufertigstellung alles funktioniert, alles dicht, trocken, bauphysikalisch top, effizient, und wirtschaftlich im Budgetrahmen ist. Das sind meine Stärken und dafür werde ich im Büro eingesetzt.

Es geht also darum, für außergewöhnliche Ideen und Projekte außergewöhnliche Lösungen zu finden?

Ja, es ist ein Ziel unseres Werkstadt-Prinzips, gestalterisch außergewöhnliche Projekte schaffen, die aber auch nachhaltig effizient und optimal funktionieren. Deshalb entwickle ich Empfehlungen, wie anspruchsvolle Ideen in der Praxis ausgeführt werden können. Durch die Zusatzausbildung und die Erfahrung auf der Baustelle habe viel aus Praxis gelernt: Das ist wertvolles Wissen, das ich nun regelmäßig im Team weitergebe.  

Wie funktioniert dieser Wissens-Transfer?

Wir haben im Büro dafür eine schöne Plattform, die ich so von keinem anderen Architekturbüro kenne: Jeden Donnerstag kann jeder aus dem Team ein spezielles Thema zur Diskussion stellen. Das braucht persönliches Engagement, ist aber sehr lohnend. Ich mache dann beispielsweise Schulungen zu Themen wie Materialkunde oder beispielsweise Abdichtungstechnik. Das ist übrigens ein Fehler-Klassiker: Abdichtungen in Deutschland heißt: Du hast unten die Dampfbremse, du hast die Dämmung, du hast eine zweilagige Dichtung und einen Schichtenaufbau von rund 4 Millimeter pro Bahn. Das ergibt teilweise drei Lagen übereinander, das sind dann bis zu 15 Millimeter in Summe. Wenn du nach Norm Randabstände einhalten musst, können Dir später bei der Ausführung diese 15 Millimeter fehlen und zu einem echten Problem werden. 

Müssten aus Deiner Sicht also alle Architekten diese Praxiserfahrung haben?

Das ist eine riesige Herausforderung, denn Du hast in Deutschland im Bauwesen rund 3000 DIN-Normen zu beachten. Du hast über 50 Bau-Hauptgewerke, die alle technische Fachregeln haben. Ein Architekt heute soll sich mit allem auskennen, soll alles beherrschen. Das ist schon eine sehr hohe Anforderung in der Planung, weil am Schluss alles passen muss und wir am Ende genau danach bewertet werden. Weil aber unmöglich jeder alles können kann, bin ich im Büro wie gesagt auf das Thema Qualitätssicherung spezialisiert und berate das Team.

Schon seit 2011 bist Du Teil des Mannheimer Werkstadt Fischer Architekten-Teams. Deine Wurzeln hast Du aber am Tegernsee in Bayern, wo nach dem Architekturstudium Deine Karriere begann. Was ist Deine Story?

Ich bin am Tegernsee aufgewachsen, aber gleich nach dem Abitur bin ich zum Studieren nach Stuttgart gezogen. Zur Architektur kam ich wie die Jungfrau zum Kind. Der Auslöser war, dass ich während meines Zivildiensts jemand betreut hatte, dessen Vater Architekt war. Das fand ich interessant und plötzlich saß ich in diesem Hörsaal, wo das Studium mit einem Schock begann: Es war gerade die Baukrise der 90er Jahre und die Dozenten erklärten mir, dass ich direkt in der Arbeitslosigkeit landen würde.

Du hast das Studium aber durchgezogen und danach sofort einen Job gefunden?

Ja, in einem Architekturbüro am Tegernsee hatte ich meinen ersten Job. Dort wurde mir aber schnell klar: Es wäre mir zu langweilig, nur Villen zu planen. Ich wollte in den Laborbau – der hohe Technisierungsgrad hat mich gereizt. Also habe ich mich bei einem Stuttgarter Architekturbüro beworben, das die Bauleitung des Deutschen Krebsforschungszentrums in Heidelberg ausgeschrieben hatte. Da ging es um die Sanierung eines Altbaus, der zurückgebaut und neu aufgebaut werden musste. Kurze Zeit später war ich Oberbauleiter – für mich der optimale Einstieg.

Wie war das damals im Büro – vor über 10 Jahren?

Das Team war mit rund zehn Leuten noch klein und ist dann erst in den Folgejahren auf über 50 angewachsen. Die Chemie hat sofort gestimmt und bei der gemeinsamen Arbeit an immer größeren Projekten sind Freundschaften für‘s Leben entstanden. Obwohl Laborbau mein Spezialgebiet war, habe ich dann irgendwann die Projekte des Bauträgers Deutsche Wohnwerte übernommen. Diese Zusammenarbeit lief so gut, dass mir 2015 die Qualitätskontrolle des Projekts „Am Fluss“ in Speyer übertragen wurde.

Sind immer alle Probleme lösbar?

Es gibt immer eine Lösung, aber es gibt auch rätselhafte Fälle. Kürzlich waren wir hier auf der Baustelle mit einem Lärchenholzboden konfrontiert, der nicht wie gewohnt grau, sondern schwarz verwittert ist. Warum das passiert, können wir nur ahnen. Wir haben mehrere Gutachter hinzugezogen und inzwischen wird vermutet, dass möglicherweise Emissionen vom Schiffsverkehr aus dem Rhein oder von den Flugzeugen aus dem nahe gelegenen Speyerer Flughafen bei der Oxidation eine Rolle spielen. Im Alltag auf der Baustelle müssen wir zudem oft spontane, unkonventionelle Lösungen finden: Durch die Lage direkt am Rhein haben wir zwei Mal die Flutung der Baugrube erlebt und hatten am Ende das Wasser 40 Zentimeter hoch in der Tiefgarage stehen.  Da es im Winter passiert ist, ist das Wasser auch noch gefroren. Am Ende mussten wir mit der Hilti rein, alles aufbrechen und das Eis mit dem Radlader rausfahren.

Du hast einen ganz besonderen Blick auf Gebäudearchitektur. Wie wohnst Du denn selbst?

Ich wohne in einem Mannheimer Vorort ganz klassisch, aber sehr schön: In einem denkmalgeschützten Haus mit Garten, wo ich Platz für meine Hobbys habe.

Was sind denn Deine Hobbys?

Ich bin zum Rosenzüchter geworden – und ich liebe Kunst,  Literatur und Musik. Ich gehe sehr gern auf Ausstellungen, besuche viele Museen und lese sehr viel, wie zuletzt den neuen Roman von Michel Houellebecq oder „Eine Billion Dollar“ von Andreas Eschbach. Ich bin auch Mitglied in einem Literaturkreis der Volkshochschule Heidelberg. Da führt ein pensionierter Deutschlehrer einen wunderbaren Kurs – zuletzt ging es um ukrainische Literatur. Das ist toll, da kann ich gut abschalten von jedem Stress. Ansonsten liebe ich klassische Musik, gehe gerne auf Festivals oder philharmonische Konzerte und genieße mein Klassik-Playlist, wenn ich morgens von Mannheim nach Speyer auf die Baustelle fahre. Aber an manchen Tagen brauche ich auch Rammstein oder System of a down – damit hier kein falscher Eindruck entsteht.   

Kannst Du dir vorstellen, hier in Speyer im Quartier zu wohnen – in einer Wohnung, die Du selbst gebaut hast?

Auf jeden Fall! Ich würde sehr gerne hier wohnen, aber die Quadratmeterpreise sind hier aufgrund der Qualität natürlich hoch. Toll wäre es schon – und dann am liebsten in einer der Wohnungen direkt vorne am Fluss mit einer großen Terrasse, von der man freien Blick auf den Rhein hat. Die Schiffe hier zu beobachten, die flussabwärts in Richtung Rotterdam und flussaufwärts in Richtung Schweiz fahren – das hat schon was. Fest steht, dass ich nach Projektende oft noch hierherkommen werde. Aber die nächsten Projekte für 2024 sind bereits in Planung – und darauf freue ich mich schon sehr.

Interview: Ralf Laubscher / LA.MAG

Fotos: Sebastian Weindel