Greensite

Zukunftsmodell für nachhaltiges Bauen

Bauwerk

Bürogebäude

Ort

Mannheim

Aufgabe

Neubau

Status

Im Bau

Leistungsumfang

LP 1-8 (HOAI)

Tags: Betonsandwich, Energieeffizient, Nachhaltig, Neubau

Mit „Greensite“ planen Werkstadt Fischer Architekten ein Gebäudeensemble, das als Zukunftsmodell für nachhaltiges Bauen Maßstäbe setzen soll. Im Interview erklärt Dominik Wirtgen das Werkstadt-Prinzip, mit dem hier mehrere Faktoren zu einer ganzheitlichen Architekturstrategie verbunden werden.

Das "Greensite"-Projekt wird nach dem Werkstadt-Prinzip entwickelt. Was genau bedeutet das?

Unser Werkstadt-Prinzip ist im Kern auch eine Nachhaltigkeitsstrategie. Es ist aus unserer Erfahrung im integralen Bauen entstanden, wird von uns ständig weiterentwickelt und den neuesten Standards und Anforderungen der Zukunft angepasst. „Greensite“ ist  ein sehr wichtiges Projekt für uns, weil wir exemplarisch zeigen können, wie durch Anwendung des Werkstadt-Prinzips wirklich nachhaltige Architektur entsteht.

Wie funktioniert diese architektonische Nachhaltigkeitsstrategie bei "Greensite"?

Wir setzen drei Themenfelder konsequent nachhaltig um: Erstens berücksichtigen wir natürliche Faktoren, zweitens liegt ein Fokus auf innovativer Energetik und Konstruktion und drittens praktizieren wir Baukultur.  

Welches dieser drei Themen steht am Anfang der Entwicklung?

Die Baukultur mit dem zentralen Thema Verortung! Um es am Beispiel „Greensite“ zu erklären: Alles beginnt mit einer städtebaulichen Analyse mit Klärung der urbanen Struktur. Bei „Greensite“ gibt es im direkten städtebaulichen Umfeld Einfamilienhäuser und Gewerbebauten, eine Straße grenzt an und auch offene Landschaft. Aufgrund dieser heterogenen Ausgangssituation ist klar: Für eine behutsame Nachverdichtung wollen wir die vorhandene Körnung und ihre Rhythmisierung aufgreifen. Also haben wir ein städtebauliches Konzept entwickelt, das sich den vorhandenen Strukturen anpasst: mit zwei Bürohäusern und einem Parkhaus, die sich rund um ein bestehendes Kaffeeproduktionsgebäude arrangieren, das wir als soziale Mitte integrieren. Der baukulturelle Entwurfsansatz umfasst darüber hinaus eine dauerhafte Tektur-Gestaltung als einem weiteren Nachhaltigkeitsfaktor – und nachwachsende Grünfassaden als sich erneuerndes Element.   

Welche Rolle spielen die natürlichen Faktoren?

Tatsächlich eine zentrale Rolle. Das Thema Grün bezieht sich im eigentlichen und auch übertragenden Sinn auf den Nachhaltigkeitsansatz des Projektes. Freies Grün nutzen wir als Bindeglied zwischen Neubauten und Bestand, es findet sich aber auch in der Gestaltung der Außenanlagen mit Fassadenbegrünungen. Drei Aspekte sind dabei besonders berücksichtigt: Erstens die Schaffung eines optimalen Mikroklimas, zweitens der Wasserhaushalt, drittens die Biodiversität.

Wie schafft man ein optimales Mikroklima und einen effizienten Wasserhalt?

Durch eine maximale Baumpflanzung und durch konsequente Fassaden- und Dachbegrünungen. So entstehen CO²- und Feinstaubbindung, ein Kühleffekt, höhere Luftfeuchtigkeit und darüber hinaus Schallreduktion. Das Thema Wasserhaushalt hat zwei Aspekte: einerseits die Wassereinsparung durch spezielle technische Ausstattung, andererseits der Schutz vor Extremklimaereignissen wie Austrocknung oder Starkregen. Das schafft man durch Maßnahmen wie trockenresiliente Bepflanzung, aber auch den Einsatz von versickerungs- und speicherfähige Materialien zur Wasser-Rückhaltung und Grundwasserschonung nach dem Schwammstadt-Prinzip.

Wie kann man bei Neubau-Projekten vorhandene Biodiversität erhalten und fördern?

Mit mehreren Maßnahmen können wir sicherstellen, dass beim Bau möglich wenig Habitatsraum zerstört und nach Abschluss der Maßnahme neu geschaffen wird. Bei „Greensite“ sorgen wir für eine hohe Gründichte mit naturnahen Anlagen und direktem Anschluss an den bestehenden Naturraum. Wichtig ist dabei ein variables Angebot von heimischen Baum-, Strauch- und Bodenpflanzungen – ebenso wie Artenschutzmaßnahmen: Nach intensiven Analysen und teilweise Umsiedelungen von bedrohten Arten entsteht ein breites neues Habitatsraumangebot für Eidechsen, Kleinsäuger, Fledermäuse, Brutvögel und Insekten Und schließlich ist durch gezielten energieeffizienten Beleuchtungseinsatz auch für die Reduktion von Lichtverschmutzung gesorgt.

Kommen wir zum Thema Energetik und Konstruktion. Was macht "Greensite" in dieser Hinsicht zu einem wegweisenden Modellprojekt?

Das Zusammenspiel mehrerer Faktoren: Zunächst erfüllt das Projekt die QNG-Kriterien, die besonders hohe Anforderungen an den Ressourcen- und Energieverbrauch der Gebäude stellen. Um das zu erreichen, haben wir für die Konstruktion die drei Nachhaltigkeitsstrategien Suffizienz, Effizienz und Konsistenz angewendet, um den Ressourcen-  und Energieverbrauch zu reduzieren.

Wie sieht das in der konkreten Umsetzung aus?

Suffizienz im Entwurf bedeutet hier: Wir reduzieren die inneren Verkehrsflächen des Gebäudes auf ein Minimum und verzichten auf materialintensive unterirdische Bauwerke wie in diesem Fall eine Tiefgarage – zugunsten einer rückbaubaren Hochgarage mit begrünter Fassade.

Bei den Fassaden gehen wir ganz neue Wege und kombinieren bewährte Techniken mit Innovation: Die textile Bewehrung ermöglicht dünnwandige Vorsatzschalen, die wärmebrückenfrei angebunden werden.

Dominik Wirtgen

Bei "Greensite" kommen eine besondere Tragwerkskonstruktion und Betonsandwichfassaden zum Einsatz. Was ist geplant?

Die weitspannende optimierte Tragwerkskonstruktion besteht aus CO² -reduziertem Beton – teilweise unter Verwendung von Recylingbeton –kombiniert mit Hohlkörperdecken, die eine erhebliche konstruktive Reduktion ermöglichen. Bei den Fassaden gehen wir ganz neue Wege und kombinieren bewährte Techniken mit Innovation:Die textile Bewehrung ermöglicht dünnwandige Vorsatzschalen, die wärmebrückenfrei angebunden werden. Die statisch extrem reduzierten Tragschalen werden genau wie die äußere Hülle aus CO²-effizienten Beton hergestellt. Als Dämmebene kommt ein Mineralschaum zum Einsatz, der durch Materialhomogenität die Rückbau- und Recycling-Freundlichkeit gewährleistet. So loten wir die Grenzen des bautechnisch Möglichen aus, um das bestmögliche Ergebnis in Sachen Effizienz und Ressourcenverbrauch zu erzielen. 

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Wie fällt die energetische Bilanz aus?

Wir erreichen hier den Kfw 40 Standard durch ein passives und aktives Massespeicherprinzip mit folgenden technischen Elementen: Wie haben eine Geothermie gespeiste Wärmepumpe, Bauteiltemperierung, eine geregelte Lüftung mit Wärme- und Feuchterückgewinnung – bei einem sehr hohen Luftdichtigkeitsgrad. All das wird ergänzt durch maximale PV-Anlagen auf den drei Dächern.

Wie relevant ist der Aspekt Lebenszyklusbetrachtung?

In der Vergangenheit fokussierte Architektur oft nur auf die Planung und Ausführung. Wenn Nachhaltigkeit kein leeres Wort bleiben soll, muss man konsequenterweise den gesamten Lebenszyklus eines Gebäudes betrachten. Für eine zukunftsfähige Architektur müssen wir daher alles betrachten: Sämtliche Ressourcen und Energie, die für die Errichtung eines Gebäudes aufgebracht werden muss – aber auch für einen möglichen Rückbau und die Aufbereitung der Baustoffe. Dieser Aufwand steht in Relation zur Lebensdauer eines Gebäudes und zu dessen Energieverbrauch in der Zeit der Nutzung.

Wie lässt sich die Lebensdauer eines Gebäudes verlängern?

Der Lebenszyklus von Gebäuden ist essentiell abhängig von deren gesellschaftlicher Relevanz. Durch Nach- und Umnutzbarkeit aufgrund transformierbarer Grundrissstrukturen, aufgrund adaptiver Tragwerke und veränderbarer Gebäudetechnik lassen sich Lebenszyklen erweitern. Besonders wichtig für dauerhafte gesellschaftliche Relevanz ist die Baukultur – einfach „gute“ Architektur.

Greensite in den Medien: Econo Magazin 1/2024